[EY du angenehmes Weibgen]

1.

EY du angenehmes Weibgen,

Setze nur das nette Häubgen[9]

Auff dein noch weit nettes Haar,

Unter tausend süssen Küssen

Wirst du nun mit Lust geniessen,

Was dir gestern fremde war.


2.

Gelt das Manns-Volck weiß die Sachen

So vergnügt, so gut zu machen,

Man kriegt kaum des Dinges satt,

Freylich nach dem Schlaffen gehen

Lernt ein Mädgen erst verstehen

Was ihr noch gemangelt hat.


3.

Gut, du hast den Stein im Brete

Und das neue Kopff-Geräthe

Steht dir aus der Massen gut!

Die Natur giebt das Gesetze

Und wir fliegen in das Netze

Weil es uns zu sanffte thut.


4.

Kehre dich nur an kein Lachen,

Fragt man tausend dumme Sachen

Von der überstandnen Nacht:

Ach sie suchen durch viel Fragen

Dir die Röthe rauß zu jagen,

Die dich doch viel schöner macht.


5.

Ja da treibt man Possen drüber

Und man hat es selbst viel lieber

Als man äußerlich entdeckt,

glaube die das meiste sehertzen,

Wünschen sich von gantzen Hertzen

Was dir gestern gut geschmeckt.[10]


6.

Deine Klugheit reicht den Braten

Und wahrhafftig zum Verrathen

Ist kein Rath, sie kommen blind

Ja sie werden hören müssen:

Wer so heimlich Ding will wissen

Ist ein neu begierig Kind.


7.

Die vergnügten Liebes-Schliche

Bleiben wie die Götter-Sprüche,

Unaufflößlich und geheim;

Austern aus den Liebes Seen

Schmecken öffentlich nach Schleen

Heimlich sind sie Honig-Seim.


8.

Wenn die Bräute doch gestünden

Was sie bey dem Liebsten finden,

Was er macht und wie es hält,

Wenn sie doch haar klein beschrieben,

Wie das Züngligen im Lieben,

Auff die rechte Schaale fält!


9.

Finge man nicht junge Füchse!

Ach nein nein, die Liebes-Büchse

Schüttet stilles Pulver auff.

Liessen sich auch viel gelüsten

Zu verrathen was sie wüsten:

Gieb nur ein Gelächter drauff.


10.

Rede wenn die Zeit wird kommen,

Wird dir gestern was genommen[11]

Gläube nur: es schadt dir nicht.

Wer die Perle nur kan finden,

Wird den Schaden leicht verwinden

Wenn die Muschel gleich zerbricht.


11.

Warte deinen Liebes-Garten

Daß sich bey den Schlitten-Farthen

Was von guter hoffnung weist.

Ach du kennest liebe Hertzen,

Die verlangen recht mit Schmertzen,

Biß die Lust ins gantze reist.


12.

Ja du angenehmes Weibgen,

Trage nur das nette Häubgen

Lange Zeit mit Lust und Ruh;

Ach wir werden bald erleben,

Daß die Blüthen Früchte geben,

Die so niedlich sind, wie du.[12]


Quelle:
Deliciae Poeticae, Erste Parthie und Andere Parthie. Band 1, [o.O.] 1728, S. 9-13.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Jean Paul

Flegeljahre. Eine Biographie

Flegeljahre. Eine Biographie

Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.

386 Seiten, 11.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon