Die Seifen-Blase

[344] Als von meinen Söhnen einer neulich Seifen-Blasen machte,

Und ich über den Betrieb seiner Einfäll' anfangs lachte;

Ward ich endlich, da er eine, die vor andern groß und klar,

Und von wandelbaren Farben unbeschreiblich herrlich war,

Durch den Wunder-schönen Glantz, der recht unvergleichlich schön,

Fast gezwungen, mit Bedacht, ihre Schönheit anzusehn.

Ich erstaunte, wie ich hier ein so bunt-gefärbtes Licht,

In fast über-ird'schem Schimmer, ein fast brennend Roth, ein Grün,

Das den reinesten Smaragd, so wie jenes den Rubin,

Wircklich übertraf, erblickte. Aber ein Sapphirner Schein

Und ein helles Purpur-Feuer, eine mehr als güld'ne Gluht

Nahm, mit einem schnellen Wechsel, augenblicks die Stellen ein,

Die erst grün und roth gewesen. In dem Glantz, der nimmer ruht',

Sah ich, mit erstarrten Blicken, als im Diamant'nen Spiegel,

Himmel, Erde, Häuser, Fenster, Wälder, Felder, Thal und Hügel

Sich in schnellen Farben bilden, als ein neues Wunder, an,

Welches alles übertraf, was man seh'n und dencken kann.
[345]

Alles stand in buntem Schimmer, alles war gedoppelt schön,

Weil, was auf der obern Fläche, sich auch auf der untern wies',

Und, als wie die Luft im Wasser, alles doppelt sehen ließ;

Formen, Farben, Glantz und Licht waren rund, auch hohl zu sehn.


Mich bedünckt, indem ich scharf auf die Farben, in der Nähe,

Mit geschärften Blicken, sehe;

Daß ich eine nach der andern kommen, scheinen, und vergehn,

Und, an ihren vor'gen Stellen, and're schwinden und entstehn,

Und auch die sich ändern finde. Weil fast nichts beständig stund;

Was erst weiß war, färbt sich grün; dieses roth; das Rothe bunt;

Denn erschien das Weisse wieder, und die Aenderung war schön.


Dieser Kugel Farben-Wechsel kam, wie ich's bedachte, mir

Recht, als unsrer Zeiten Wechsel auf der Erden-Kugel, für;

Da, im Sommer, Herbst und Winter und in dem belühmten Lentzen,

Gelb und Roth und Weiß und Grün, Wechsels-weise, lieblich gläntzen.

Alle Jahres-Zeiten sind auf der Welt zu gleicher Zeit,

Und sie ändern ihren Ort zwar in mind'rer Schnelligkeit,[346]

Aber doch auch schnell genug. Ferner ward ich noch gewahr,

Wie von allen Elementen gleichfalls die gevierte Schaar

In dem kleinen Raum sich zeigte. In dem Grünen, in dem Blauen,

In dem Weissen, in dem Rothen, war die Erde, war die Fluth,

War die Luft und war die Gluht,

In besonderm Glantz, zu schauen.


Durch den bunten Wunder-Schein und durch gleichsam bunte Flammen

Inniglich gerühret, zog alsbald meine Seele gantz,

Und mit allen ihren Kräften, in mein Auge sich zusammen.

Welches, mit geschärftem Blick, den durchsicht'gen Kreis durchdrang.

Wie sie nun, halb selbst verkläret, gantz im Lichte schwebt', zersprang

Alles: Kugel, Glantz, Figuren, Gluht und Schimmer, Farb' und Licht.

Ich erschrack, da, statt des Gläntzens und statt eines hellen Lichts,

Blick und Seele, wie der Blitz, in ein dunckel, leeres Nichts

Plötzlich sich versencket fand. Dieß zeugt' ernstliche Gedancken;

Und auf einem neuen Wege fand ich eine neue Spur,

Durch die so veränderliche, als beständige, Natur,

Zum unwandelbaren ALL, der ohn' End' und sonder Schrancken.
[347]

Was bey uns der Blasen-Kreis, ist vor GOTT der Kreis der Erden,

Aller Irrstern' Kreis und Circkel, ja der allgemeinen Welt,

Grosser Circkel, den er schuf, den er durch ein Wort ließ werden,

Und den bloß sein Will' allein und sein grosses Wort erhält,

Aber den auch bloß sein Wort schnell zertheilen, schnell zersprengen,

Schnell verändern, schnell verderben, in ihr vorigs Chaos mengen,

Ja (wie Blasen gar vergehn) gar in Nichts verwandeln kann.

Dieses ist unwidersprechlich; darum wenn wir Blasen sehen,

Die bald in vollkomm'ner Ründe, Farb' und Glantz stehn, bald vergehen,

Und in einem Huy zerstieben, denck' ein jeder doch daran!


Quelle:
Barthold Heinrich Brockes: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Stuttgart 1965, S. 344-348.
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