Zur Feier der Silbernen Hochzeit des Hoch- und Wohlgebornen Freiherrn Vincenz Augustin, k.k. öster. Generalmajor etc. etc. Monat Februar 1832

[205] Chor


Sei gegrüßt, du Tag der Freude,

Sei willkommen, Tag der Lust!

Kraft und Milde adeln beide,

Schmückt auch eine nur die Brust:

Doch wer beider sich bewußt,

Ehrnes Schwert in goldner Scheide,

Mensch – in der Verklärung Kleide,

Steht er überm Erdenneide,

Und sein Anblick schon ist Lust.

Denn das Gute tun ist göttlich,

Und das Schöne tun ist gut,

Und der Friede ist so köstlich,

Der im Arm der Wonne ruht.

Abglanz von der Gottheit Bilde,

Schreitet durch das Land die Milde;

Wo sich nur ihr Blick entrollt,

Reift das Glück wie Saatengold.

Doch damit das Gute stehe,

Muß das Böse erst vergehn,

Zweifach sanft ist dreimal Wehe,

Schwäche wird der Wind verwehn.


Auch wer ackert, muß erst reuten,

Ehern ist das Maß der Zeiten,

Drum, wenn starr des Frevlers Herz,

Sei der Rächer auch von Erz;

Strecke die bewährte Rechte

Vor, dem Gegner im Gefechte,

Spiele das gewagte Spiel

Mit so wenig, um so viel! –


Chor


Reißend, glühend,

Unterm Hufschlag Funken sprühend,

Stürmt der Reiter,[206]

Weit und weiter

Dringt er ein;

Und das Rohr gibt Schlag und Schein,

Die Kanone brüllt Verderben,

Und die Kugel singt ihr Lied,

Weichen heischt sie – oder sterben,

Und der Feind glaubt, was er sieht.

Wie aus glühndem Tulpenbeete,

Wächst gen Himmel die Rakete,

Schlingt, ein donnerndes Gesetz,

Frevler in ihr Feuernetz;

Kracht und schlägt die Reihen nieder –

Und die Ruhe kehret wieder.

Drum nicht Baun nur, auch Zerstören,

Soll des Dankes Loblied hören.


Aber wer der Kraft die Milde,

Dem Zerstören eint das Baun,

Wer nach hingelegtem Schilde

Eingeht in des Lebens Aun;

Ob des tiefsten Werks Erfinder,

Mitkind ist der eignen Kinder,

Treu an treuer Gattin hält:

Dem nach fünfundzwanzig Jahren,

Widerschein von lichtern Haaren

Silbern auf die Ehe fällt,

Während schon aus nahen Blicken,

Aufkeimt künftiges Entzücken,

Eine goldne Enkelwelt;

Jedes Glück ward dem zuteil,

Und der Erdkreis ruft ihm Heil!


Chor


Heil! es ist auch uns geschehen,

Denn der Glückliche ist nah,

Hebt den Blick, ihr könnt ihn sehen,

Er mit all den Seinen da.

Und er nennt uns auch die Seinen,[207]

Leuchtet hell mit Lehr und Tat,

Wie des Nordpols Sterne scheinen,

Vor uns auf der Ehre Pfad.

Nun so jubelt laut, ihr Töne,

Sprecht den Dank der Kinder aus:

»Er der Vater – wir die Söhne,

Österreich das Heimathaus!«

Quelle:
Franz Grillparzer: Sämtliche Werke. Band 1, München [1960–1965], S. 205-208.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte und Dramen
Medea: Trauerspiel in fünf Aufzügen. Dritte Abteilung des dramatischen Gedichts »Das Goldene Vlies«
Das goldene Vliess: Dramatisches Gedicht in drei Abteilungen. (Der Gastfreund, Die Argonauten, Medea)
Gedichte Reclam
Sämtliche Werke: Erster und zweiter Band: Gedichte

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon