5. Der Tod

[201] Die Glocken hast du noch gepflückt,

Die uns den Lenz verkünden,

Doch nicht, vom schweren Schnee' gedrückt,

In Farben sich entzünden.


Auch hast du dir zum Sonntagsstrauß

Die Veilchen noch gewunden

Und ihren Duft im Gotteshaus

So süß, wie nie, gefunden.[201]


Ein frischer Maienblumenkranz

War dir in's Haar geflochten,

Als dir in deinem letzten Tanz

Die zarten Schläfe pochten.


Die Rosen treffen dich schon bleich

Im Kreise deiner Schwestern:

Der weißen bist du heute gleich,

Der rothen glichst du gestern.


Doch kommen sie zur rechten Frist,

Um deinen Sarg zu decken,

Und was du warst und was du bist,

Noch einmal zu erwecken!


Die Nelken blühen mir allein

Und können mich nur freuen,

Um sie bei hellem Mondenschein

Dir auf das Grab zu streuen.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke, Berlin [1911 ff], S. 201-202.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe letzter Hand)
Gedichte
Werke, 5 Bde., Bd.3, Gedichte, Erzählungen, Schriften
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)
Gedichte
Gedichte