Männer und Buben
Nach der Weise: »Brüder, mir ist alles gleich etc.«

[109] Das Volk steht auf, der Sturm bricht los –

Wer legt noch die Hände feig in den Schoß?

Pfui über dich Buben hinter dem Ofen,

Unter den Schranzen und unter den Zofen!

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,

Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,

Und deutscher Wein erquickt dich nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Wenn wir die Schauer der Regennacht

Unter Sturmespfeifen wachend vollbracht,

Kannst du freilich auf üppigen Pfühlen

Wollüstig träumend die Glieder fühlen.

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,

Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,

Und deutscher Wein erquickt dich nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Wenn uns der Trompeten rauher Klang

Wie Donner Gottes zum Herzen drang,[109]

Magst du im Theater die Nase wetzen

Und dich an Trillern und Laufern ergötzen.

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,

Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,

Und deutscher Wein erquickt dich nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Wenn die Glut des Tages versengend drückt

Und uns kaum ein Tropfen Wasser erquickt,

Kannst du Champagner springen lassen,

Kannst du bei brechenden Tafeln prassen.

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,

Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,

Und deutscher Wein erquickt dich nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Wenn wir vorm Drange der würgenden Schlacht

Zum Abschied ans ferne Treuliebchen gedacht,

Magst du zu deinen Mätressen laufen

Und dir mit Golde die Lust erkaufen.

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,

Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,

Und deutscher Wein erquickt dich nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Wenn die Kugel pfeift, wenn die Lanze saust,

Wenn der Tod uns in tausend Gestalten umbraust,

Kannst du am Spieltisch dein Septleva brechen

Und mit der Spadille die Könige stechen.

Bist doch ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen küßt dich nicht,[110]

Ein deutsches Lied erfreut dich nicht,

Und deutscher Wein erquickt dich nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Und schlägt unser Stündlein im Schlachtenrot,

Willkommen dann, sel'ger Soldatentod!

Du verkriechst dich in seidene Decken,

Winselnd vor der Vernichtung Schrecken,

Stirbst als ein ehrlos erbärmlicher Wicht;

Ein deutsches Mädchen beweint dich nicht,

Ein deutsches Lied besingt dich nicht,

Und deutsche Becher klingen dir nicht.

Stoßt mit an,

Mann für Mann,

Wer den Flammberg schwingen kann!


Quelle:
Theodor Körner: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1893, S. 109-111.
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