Parteigänger

[365] Gefallen sind die Hiebe,

Verflogen Staub und Rauch,

Und süße Bruderliebe

Blüht wieder an jedem Strauch!

Hin ist so mancher Brave,

Und blökend ziehn die Schafe

Zum Pferch nach altem Brauch.


Nun singt in allen Pfannen

Der fette Siegesbrei;

So reit ich denn von dannen,

Die Straßen sind ja frei!

Und winkt ein Schank an Wegen,

Will ich hinein mich legen

Und sehn, was Ruhen sei!
[365]

Ich bin als heißer Zecher

Auf einen Trunk erpicht;

Doch füllen meinen Becher

Wohl Tränen Christi nicht –

Ich trink nur herbe Reben

Und laß im Herben leben

Mein Schätzel derb und schlicht!


Ich bin ein wilder Reiter,

Auch beißt und schlägt mein Gaul;

Ich bin ein grober Streiter

Und führ ein grobes Maul;

Und sind auch allerwegen

Mir rostig Schild und Degen –

Drein schlag ich drum nicht faul!


Und ist der Streit geendet

Und ist die Tat getan,

Mag ich, wie's auch sich wendet,

Doch keinen Lohn empfahn!

Will nicht im Rate tagen,

Will Ketten nicht und Kragen,

Die stehen mir nicht an.


So sitz ich in der Schenke

Zur braunen Distel wert,

Weil draußen an der Tränke

Gesattelt steht das Pferd;

Ich lach der neuen Herren,

Die an der Beute zerren,

Und lockre still mein Schwert.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 365-366.
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