[78] Mit ächterm Ruhm, als unbesiegte Sieger
Nur groß an Glück, am Herzen wild als Tiger,
Durch Härt und Wuth und unerhörtes Schlachten
Zu haschen trachten;
Mit ächterm Ruhm, als mancher Filz bezahlet,
Der mit des Reimers feiler Demuth prahlet,
Dem Strohmann gleich, den man mit Lappen decket
Und Kinder schröcket;
Mit ächterm Ruhme wird der Mann belohnet,
In welchem Tugend bey der Weißheit wohnet,
Der Menschheit Lehrer, der, was er sie lehret,
Selbst übt und ehret:
Des richtig Auge nie ein Schimmer blendte,
Der nie die Thorheit kriechend Weißheit nennte,
Der oft die Maske die wir scheuen müssen
Ihr abgerissen.
Da lag der Orden und des Hofes Waare,
Und Kriegeszeichen, Turban und Tiare,
Der Priestermantel, Schleyer, Kutten, Decken,
Die sie verstecken[79]
Und sie stand nackend. Abscheu und Gelächter
Ward ihr zu Theile. Aber die Verächter
Des schlechten Kittels und berauchter Hütten
Samt ihren Sitten
Sahn staunend dort, sie, die den Glanz der Thronen
Verschmähet, dort die hohe Weißheit wohnen,
Die an Verstand und Herzen ungekränket,
Dort lebt und denket.
Schon vielen Augen hat er Licht gegeben,
Einfalt im Denken und Natur im Leben
Der Weißheit Schülern, die er unterwiesen,
Mit Ernst gepriesen:
Mit reiner Lust ihr Leben angefüllet,
Weil sie den Durst nach Weißheit, den er stillet,
Doch nimmer löschet, glücklicher als Fürsten,
Zeitlebens dürsten:
Den Tod mit Rosen und Jesmin gezieret,
Voll neuer Reitze ihnen zugeführet,
Daß sie den Retter aus des Lebens Schlingen,
Vertraut umfiengen.
Stets wollen wir durch Weißheit Ihn erheben,
Ihn unsern Lehrer, wie er lehrte, leben
Und andre lehren: unsre Kinder sollen
Auch also wollen.
Ihr Söhne Frankreichs! schmäht denn unser Norden,
Fragt ob Genies je hier erzeuget worden:
Wenn Kant noch lebet, werdt ihr diese Fragen
Nicht wieder wagen.
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