Schwank: Der Heinz Unru

[212] Es ligt ein dorf im Beierlant,

dasselbig Fünsing ist genant,

da saßen leppisch bauren drin.

nun war auch einer under in,

derselbig hieß der Heinz Unru,

der het zu hadern immerzu

mit seinen nachbaurn hindn und vorn,

stak vol ungedult, rach und zorn,

het gar ein eigensinning laun,

brach oft ein hader von eim zaun,

auf das er nur zu zanken het;

drumb iederman in fliehen tet,

hieß auch darumb der Heinz Unru,

das er vil haders richtet zu.

der het ein garten an seim haus,

darinnen het er überaus

weiß rüben und das kumpaskraut,

auch korn und habern darin baut,

vil kreuter und würz mancher art,

des er ser fleißig hüten wart.

eins tags kam im ein has darein,

der im darin das kolkraut sein

an eim ort abgefreßen het;

darob Heinz Unru zürnen tet.

nicht anderst schalt und fluchet er,

sam der ganz gart verderbet wer.

und als er den hasen ergucket,

im stadel er ein drischel zucket

und lof dem hasen grimmig nach,

zu würgen in zu grimmer rach.

der has aber war im zu glenk

und brauchet im lauf so vil renk,[213]

das der bauer oft fallen was

und lag gestrecket in dem gras.

dem bauren tet gar we der spot

und schwur dem armen hasn den tot:

du ragenörlein, du must sterben,

kein man sol dir mein hult erwerben,

weil du mich so oft wirfst zu haufen.

ob ich dich gleich nit kan erlaufen,

schick ich dir doch ein übern hals,

der dich wol knicken kan nachmals!

und balt hin aus dem garten lof

zu dem pfleger in seinen hof.

vor dem zog er ab seinen hut,

ganz entrüst mit zornigem mut

klagt, ein has in verderben wolt,

vor dem er in beschützen solt

mit sein rüden, staubern und winden;

der has wer in seim garten hinden

und het im großen schaden gtan

an seim kolkraut. dem edelman

tet er ein simmer habrn versprechen,

wenn er in tet am hasen rechen,

von dem er wer beschedigt worn,

und het im auch den eid geschworn.

der edelman ob disen sachen

tet seiner großen torheit lachen

und balt auf seinen gaule saß

und sechs jaghunt mit füren was.

darmit kam in Heinz Unru garten,

dem hasen auf sein balg zu warten,

fieng an und blies sein jegerhorn

und sucht im garten hindn und vorn

disen armen ellenden hasen.

die hunt hin und her spüren wasen,

loffen umb mit bellen und schnauden;

in dem sprang aus einer hanfstauden[214]

der has; balt in die hunt ersahen,

gschwint loffen sie im nach zu fahen;

der has lof in dem garten rumb

und schlug vil haken, schlem und krumb,

das keiner in ergreifen kunt.

das weret auf ein halbe stunt;

all winkl im garten durchaus mit

der pfleger auf seim ros nach rit

und schrier sein hunden tapfer zu,

die strichen nach on alle ru;

doch entlof in der hase jung,

entlich über den zaun naus sprung

und lof wider hinein gen walt.

der edelman der fordert balt

sein habern an den bauersmon,

den er verheißen het zu lon.

Heinz Unru sich des widern tet,

weil er im nit gefangen het

den hasen und bracht zu dem tot.

der edelman schwur im bei got,

er wolt sein stadl im zünden an,

drauf setzen im ein roten han.

Heinz Unru im den habern gab,

das er mit lieb sein köme ab,

das er nit weiter köm zu schaden,

darmit er vor war überladen.

der pfleger mit dem gaul und hunden

het im garten oben und unden

zertretn so in einr kleinen kürz

rüben, samen, kreuter und würz

und darzu auch habern und korn,

das war alles zertreten worn;

und wenn der has ein ganzes jar

in dem garten gewesen war,

het er nit so vil schadens tan

als mit seim jeit der edelman.[215]

also het diser Heinz Unru

den schaden und den spot darzu.


Der beschluß

Also fint man noch manchen man,

der gar glat nichtsen leiden kan;

ob es schon ist der red nicht wert,

er sich doch des so hart beschwert,

wil gar nichts laßen ungerochen

mit gronen, schelten, fluchn und pochen.

sicht einer in nur sauer an,

er kans nit ungerochen lan;

alle ding tut er widerfechten,

auch vor gericht zanken und rechten.

dieweil gar nichts kan leiden er,

wagt er sich oft in groß gefer

und get oft nach eim eher, glaub,

verzett darob ein ganzen schaub

durch seinen bösen laun und trutz;

richter und schergn haben den nutz.

wer aller rachsal nach tut gen,

der macht aus einem schaden zwen;

wer abr ist ein gedultig man,

der überhörn und sehen kan,

hüt sich vor unnützen gezenken,

der selb tut eisern tür anhenken,

entget dardurch vil ungemachs,

sagt das alt sprichwort und Hans Sachs.


Anno salutis 1563., am 11. tag Maij.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 212-216.
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