Wanderung

[192] (Nach Henri de Régnier)


Der Weg war weit. Hindämmernd sank die Nacht

und blasser wurden meine Morgenträume:

Da hast du mich zum fernen Schloß gebracht

das zaubrisch schläft inmitten dunkler Bäume


im wunderlichen Licht des Monds der einsam trauert

auf alten müden Gärten wo aus Zweigen

von Blütenbüschen glockenglanzumschauert

Pagodenprunk und Vogeltempel steigen.


Die glänzgen Purpurvögel deckt ein tiefer Traum

die goldnen Fische schatten in den Becken kaum

die Brunnen sterben rieselnd in den Finsternissen.


Der Moosgrund schauert wenn dein Kleid darüber fegt

und meine Hände hast in deine süßen Hände du gelegt

die um verborgner Schlösser tiefen Zauber wissen.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 192-193.
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